Gott ist das deprimierend: wenn einen sogar ein auf einem Bein lahmer Hund überholt, während man sich mühsam bei 70 Grad Gefälle auf den Berg kämpft! “Alter Schwede”, denke ich, “fittes Tier. Muss wohl an der Höhe liegen, dass der mich überholt”, suche ich nach Ausreden. “Aber: wo kommt der eigentlich her und warum folgt er uns?” Ich finde keine Antworten.
Als ich mich umdrehe um zu sehen wie weit ich schon gekommen bin, offenbart sich fast am Gipfel angekommen die sensationelle Sicht, die ich schon seit rund eineinhalb Tagen genießen durfte: ich blicke auf den (relativ berühmten) Colca Canyon, der in puncto Größe sogar den Gran Canyon in die Tasche steckt. In Peru ist das, zumindest dem Guide zufolge, die zweitbeliebteste Attraktion nach dem Machu Picchu. Hier erhascht man außerdem einen Blick auf eine der größten fliegenden Spezies: dem Condor. Seine Flügelspannweiten sind so beeindruckend, dass man selbst in der Ferne noch Gänsehaut bekommt, wenn er sich erhaben in die Lüfte streckt.
Meine Zweitagestrekkingtour durch den Canyon gipfelt allerdings nicht erst beim Aufstieg am letzten Tag: am Nachmittag des ersten Tages erreichen wir nach rund acht Stunden Abstieg eine Oase, die völlig surreal anmutet, weil sie sich plötzlich zwischen die grau-grünen Felsformationen des Canyons zieht. Mitten in der wilden Natur warten einige Lodges inklusive Pool auf die vielen Backpacker, die sich täglich mit leichtem Gepäck durch den Canyon schleifen bzw. kämpfen.
Die Schwimmbecken glitzern schon von Weitem und erfüllen unsere Gedanken, seitdem wir das erste Mal davon hören: Es gibt nämlich nichts über eine Abkühlung im Wasser nach langem Wandern in der Hitze, natürlich mit einem frischen Bier in der Hand! Durch das Tal zieht sich außerdem ein Fluss, dessen plätschern und rauschen mich Nachts wie Musik in meinen Ohren zum Einschlafen bringt. Paradisisch (passt zufällig, weil die Lodge auch Paraiso heißt. Oder andersrum). Hier bin ich Mensch, hier kann ich sein. Geklaut von Göthe. Die völlig versalzenen und minikleinen Spaghetti Bolognese Portionen abends, das Fehlen an Getränken, die horrenden Preise für Getränke und das Fehlen von Frühstück vor dem Aufstieg hinterlassen leider einen sehr, sehr faden Beigeschmack. Ist ja klar, dass man dann von humpelnden Hunden überholt wird, wenn man nichts anständiges zu Essen bekommt!
Ich bin diesmal mit einer Gruppe aus zwei völlig geisteskranken und immer charmant fluchenden Iren unterwegs, einer Australierin die den Iren eigentlich in nichts nachsteht, einer Dänin, die sich erstmal an uns gewöhnen muss aber dann aufblüht, einem deutschen Pärchen und einem freundlichen Schweden, der die Rolle des stillen Beobachters bis zum Schluss auf mir völlig schleierhafte Weise durchzieht. Während ich mit den Iren und der Australierin schon die Tage zuvor in Arequipa Zeit verbracht habe, stoßen die Anderen erst nach der Busfahrt dazu. Die Dynamik bei uns ist sensationell: jeder ist anders, aber wir finden rasch zueinander und haben eine phantastische Zeit. Der Abschied gestern fällt uns allen daher nicht leicht, aber so ist das nunmal als Backpacker: Menschen kommen und gehen und es liegt an einem selbst zu entscheiden, wer einen genug geprägt hat und mit wem man Kontakt halten möchte. Wir halten.
Arequipa selbst ist als zweitgrößte Stadt Perus übrigens auch ganz nett: so kann man sich einer Free Walking Tour durch die wichtigsten Viertel begeben und ein erstes Gefühl für die Stadt bekommen. Man erfährt allerhand über die Geschichte und Kultur. Achja und natürlich sind bei meiner Tour wieder Leute dabei, die ich vor drei Monaten in Panama City getroffen habe! Auch noch aus München. Verrückt wie winzig die Welt ist, passiert mir aber nicht zum ersten Mal.
Die Jungs sind im “Wild Rover” untergekommen, einem Partyhostel im Zentrum (wundert mich gar nicht), das ich mir Mal genauer ansehe: Beerpong, Spin the Wheel, Verkleidung und Tanzen stehen auf dem Abendprogramm. Und wer immer noch nicht versteht, dass man hier Spaß zu haben hat, der sollte sich den Text auf der Kreidetafel durchlesen: “Free sex beds, ask Damian for Info”, steht da. Was man darunter auch immer verstehen soll. Und: “Always out of shirts because you sleep in different beds every night? Buy a wild rover T-Shirt!”, ziert ein Plakat. Total sympathisch. Am Abend geht es in den vielen Clubs und Bars der wunderschönen Altstadt ganz schön zur Sache; Latinos/Latinas mischen sich mit den Reisenden und es wird sogar außerordentlich gute elektronische Musik aufgelegt. Ich staune nicht schlecht und mache natürlich die Tanzfläche unsicher. Von Wegen zu alt zum Feiern…
Das Schöne ist hier, dass man es sich in meinem Hostel, dem etwas außerhalb des Zentrums gelegenem “Arequipay”, nach einer wilden Nacht so richtig gemütlich machen kann: zwei Fernsehräume (what the fuck?), ein extra Playstation-Raum, Billard, Darts und zahlreiche Hängematten laden zum Chillen und Abhängen ein. Die Angestellten sind immer gut gelaunt und freundlich, es ist ruhig und es ist zu jedem Zeitpunkt picobello sauber. Was aber auch bedeutet, dass mir die Putzfrauen buchstäblich auf den Füßen stehen, sobald ich den Duschvorhang aufziehe und zum Handtuch greife. Das ist aber wieder eine andere Geschichte.
Heute war es Zeit für mich zu gehen, ich muss schließlich langsam Mal Bolivien erreichen. Also begebe ich mich ins fünf Stunden östlich gelegene Puno, der letzten größeren Stadt vor der Grenze. Gelegen, am Titicaca-See. Höhö. Stay tuned.
Ich hoffe euch geht es sonst allen gut? Schreibt doch Mal, was bei euch so schönes passiert, ich freue mich über jede Nachricht.
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