Letztens ist mir aufgefallen, dass mir viele Dinge gar nicht mehr auffallen. Erst wenn man wieder mit Leuten Zeit verbringt, denen Südamerika beispielsweise komplett Fremd ist, kommen die Kleinigkeiten zu Tage, an die man sich über die Dauer der Reise einfach gewöhnt hat. Kleinigkeiten, die mich anfangs noch ins Unermässliche aufgeregt hätten sind jetzt etwa kaum noch der Rede wert. Zum Beispiel die Tatsache, dass Peruaner einfach auf Gedeih und Verderb nicht eins und eins zusammenrechnen können. Wenn ich jetzt mit fünf 20 Soles-Scheinen bezahle, wieviel Soles sind denn das dann? Erstmal den Taschenrechner rausholen um auf Nummer sicher zu gehen. Vom Verkehr bzw. der fehlenden StvO oder em ständigen Gehupe beim Überholen möchte ich jetzt gar nicht erst anfangen…
Mir als Werber und Ex-Nike-Mitarbeiter fällt auch die immense Markentreue auf, die die Menschen hier etwa Nike gegenüber haben. Der bekannte Swoosh wird hier großflächig auf jedes zehnte Auto geklebt. Und egal wie arm man ist, der Flachbildfernseher ist absolutes Statussymbol. Neben dem Smartphone versteht sich. Nach dem Weg sollte man immer mindestens zwei Personen fragen, man kommt hier immer zu spät, Toilettenpapier darf man nicht ins Klo werfen und Informationen werden immer solange einbehalten, bis man darauf stößt und dagegen protestiert. Ich glaube, wenn ich zurück in Europa bin werde ich deutlich gelassener auf viele Dinge reagieren. Aber euch interessiert sicher, wie es bei uns weiterging? Uns, das sind Consti, Jasper, Bianca und Sabine, die für einen kleinem Perutrip von Frankfurt aus hier her geflogen sind.
Von Lima aus ging es letzte Woche endlich nach Cusco. Ich hatte im Vorfeld mit so vielen Leuten über die Stadt gesprochen (vor allem mit Peruanern), daher waren die Erwartungen entsprechend hoch. Schon beim Landeanflug zeigt sich die auf rund 3500 Metern über dem Meeresspiegel gelegene Kleinstadt von ihrer Schokoladenseite: das in brauntönen gehaltene Stadtbild birgt zahllose historische Sehenswürdigkeiten und hält eine Vielzahl an charmanten Cafés und Restaurants parat (mit sehr leckerem Essen).
Wir kehren im Zentrum ein, am Plaza de Armas, und verbringen das Wochenende in Vorfreude auf das eigentliche Highlight des Cusco-Trips: dem Inca Jungle Trail. Vier Tage lang geht es abenteuerlich mit dem Rucksack die Inka Pfade entlang, bis die Tour am Machu Picchu gipfelt, der berühmtesten Inka Stadt und einem der neuen sieben Weltwunder. Unsere Tour ist etwas abwechslungsreicher als der klassische Vier-Tage-Pfad, außerdem befindert sich die gesamte Strecke des “original” Inca Trails den Februar über unter Instandhaltungsarbeiten. Genaugenommen gibt es ohnehin nicht nur einen Inca Trail. Es gibt ja auch nicht nur eine Landstraße nach München…
Tag 1, Biking:
Wir treffen Julio, den Guide, fahren mit dem Bus los und werden auf rund 4200 Höhenmetern mit unseren Mountainbikes auf einer wenig befahrenen Serpentinenstraße rausgeschmissen, die uns ausnahmslos abwärts Richtung Dschungel bringt (wir befinden uns an der Grenze zum Amazonas). Hier sterben wir buchstäblich tausend Tode, als wir uns der schlechten Zustände der Bikes gewahr werden. Ketten springen, Reifen platzen, Hinterreifen schleifen. Vier von fünf Bikes entblößen sich als nicht fahrtauglich. Wir bringen die Tour bei schlechtem Wetter zwar ohne größere Zwischenfälle zuende, unsere Laune hat sich jedoch schnell in den Keller verabschieded. Wir pöbeln und fluchen und Julio kriegt die volle Breitseite unseres Unmuts zu spüren. Als wir uns der Lodge nähern, die wir zu Fuß quer aufwärts durch den Dschungel aufsuchen, wirken unsere Gesichtszüge deutlich entspannter. Der halbstündige Aufstieg mit Marschgepäck nach rund 50 Kilometern Fahrradtour sollte jedoch nur das “Amuse Bouche” unserer Trekking Tour sein. Am nächsten Tag geht es nämlich circa sechs Stunden zu Fuß weiter. Wir werden mit sensationellen Maracujasäften begrüßt, zu unseren Zimmern gebracht und ruhen uns aus, bevor die Spätnachmittagstour entlang der Coca- und Kaffeeplantagen beginnt. Geschlafen wird rustikal, allerdings sind wir so müde, dass wir wahrscheinlich überall hätten schlafen können.
Tag 2, Inca Trek:
In der Herrgottsfrüh brechen wir auf und begeben uns auf den Weg. Nach einer kurzen Einweisung zu lokalen Speisen und Gebräuchen an einer nah gelegenem anderen Lodge, geht es los: schnell stoßen wir auf einen Pfad, der sich den extrem steil abfallenden Berg entlang schmiegt und genauso aussieht, wie man das von einem ultragefährlichen, 600 Jahre alten, von Steinplatten unterlegten, oldschool Inca Trail inmitten der Anden erwarten würde. Hier sind Schwindelfreiheit und Trittsicherheit Voraussetzung. Die Sicht auf die vom Inca Trail durchzogenen Berghängen und dem Fluss, der früher oder später in den Amazonas mündet, ist einfach nur sensationell. Aber es geht noch weiter. Aufgrund der Regenzeit und fehlenden Integrität einiger Hügel verursachten massive Landrutsche in den vergangenen Tagen vielerorts Probleme und blockierten Straßen und Wege. Wir balancieren also an großen, abgerutschten Fels- und Erdbrocken vorbei, bis wir an einer Stelle auf eine nicht gerade vertrauenserweckende Gondel stoßen, die uns von einem höher gelegenen Punk auf die andere Flußseite bringen soll. Und wenn ich Gondel sage, dann meine ich ein Holzbrett, das horizontal an einer provisorischen Zipline hängt und per Hand von einer Seite auf die andere befördert wird. Spannend. Wir haben aber alle überlebt. Als Belohnung warten die natürlichen Quellen auf uns, die in einer Freibadanlage mitten im Nirgendwo eingebettet sind. Abend werden wir ins nächstgelegene Dorf kutschiert, wo unser Hostel und ein überfälliges Abendessen auf uns wartet.
Tag 3, Flachlanwanderung;
diesen Tag verbuche ich als Ruhetag vor dem eigentlichen Highlight, da eigentlich überhaupt nichts spannendes passiert. Morgens atmen wir kurz auf als uns gesagt wird die Brücke, die aufgrund starker Regenfälle in den vergangenen Tagen kollabiert ist, sei wieder passierbar (und wir müssen keine sechs Stunden Umweg laufen). Von dort aus geht es nach Aguas Calientes, dem nächstgelegenen Ort zum Machu Picchu. Wir folgen den Gleisen einem reißenden Fluß entlang, erhaschen vom Tal bereits einen ersten Blick auf die Ruinen und freuen uns auf morgen. Am Hostel angekommen nutze ich die Freizeit um mich etwas auszuruhen, während Bianca, Consti und Jasper eine weitere Kerbe in ihre Stange der Nahtoderfahrungen schlagen: die drei klettern den Putucusi hinauf, einem Horrohügel direkt gegenüber des Machu Picchu. Sechs bis zu 30 Meter lange Nasse Holzleitern, ungesichert. Hätt ich das Mal gewusst, hätte die tägliche Dosis Adrenalin ausgeschüttet. Wir gehen früh schlafen, am nächsten Morgen um vier Uhr dreizig startet der Aufstieg zur berühmtesten Inkaruine der Welt!
Tag 4, Machu Picchu;
Der Wecker klingelt um vier, wir drücken den Snoozebutton und verschlafen natürlich. Um vier Uhr dreizig springen wir erneut auf und los geht die wilde Tour, bei strahlendem Mondschein unter Nieselregen. Wir folgen der Hauptstraße Agua Calientes und hetzen los, in der Hoffnung zu den Ersten zu gehören, die durch die Passkontrolle in den Park gelassen werden. Dass der frühe Vogel den Wurm fängt ist allerdings auch rund 100 anderen Backpackern nichts Neues, die sich ebenfalls zeitlig aufgemacht haben und mit uns zusammen den etwa 50 minütigen Aufstieg zur Ruinenstadt wagen.
Unzählige Treppenstufen und einige Pausen später sind wir da: als wir den berühmten Aussichtspunkt erreichen verziehen sich die Wolken gerade, und auch die Sonne lässt sich tatsächlich kurz blicken. Zur Regenzeit in der Nebensaison kann man nur von Glück sprechen und unsere Kameras schießen maschinengewehrartig. Machu Picchu ist genau das was man erwartet: groß, mystisch, historisch, spektakulär – die Bilder werden der Stimmung kaum gerecht – aber auch überlaufen, touristisch und überraschend gut erschlossen: direkt am Eingang befindet sich ein Luxushotel, in dem man ganz bequem unterkommen kann und man sich jegliche Strapazen erspart.
Sich in der Früh bereits aufzumachen ist definitiv ratsam, nicht nur mit Hinblick auf die Fotos, die man in der Regel möglichst naturbelassen schießen möchte. Auch den Horden an tollpatschigen Touristen, die ihre Jacken bei Eiseskälte lieber tragen als sie zu tragen, möchte man aus dem Weg gehen. Wir verbringen den ganzen Tag an Ort und Stelle und lassen uns am Nachmittag überglücklich vom Bus zurück in den Ort kutschieren. Von dort aus geht es zurück nach Cusco, erst per Zug, dann per Bus.
In Cusco verbringen wir nochmals einen vollen Tag, gehen auf Erkundungstour, schauen uns Ruinen an und speisen vornehm, bevor es am nächsten Morgen nach Lima zurück geht.
Anstatt einer öden Bilderserie habe ich da mal was anderes vorbereitet: nachstehend das Recap-Video unseres Trips. Besonderer Dank geht an iMovie. Viel Spaß!
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