Amazing Amazon

Für vier Tage sind Alisa und ich in den Amazonas verschwunden und das Wichtigste zuerst: wir haben keine heißen Amazonen in sexy Outfits und mit Speer bewaffnet herumlaufen sehen. Und ich wurde auch nicht von ihnen entführt und missbraucht. Eine herbe Enttäuschung.

Von Ecuador aus kommt man relativ einfach in den westlichen Ausläufer (bzw. Einläufer: Fließrichtung ist von West nach Ost) des wasserreichsten umd breitesten Flusses der Welt: ein 50 minütiger Flug ins Nirgendwo, eine zweistündige Busfahrt (inkl. geplatzem Reifen) weiter ins Nirgendwoer und eine anschließende dreistündige Bootsfahrt einen der vielen Kanäle zum am Nirgendwoendesten und schwupps… ist man auch schon da. Hier sind wirklich keine Straßen und, bis auf uns Touristen, keine Menschen Seele. Wir wollten es immerhin auch schön authentisch. Der Unterschlupf für unser Abenteuer; die Siona Lodge – benannt nach dem indigenen Stamm, der hier im Cuyabeno Reservat bereits vor einiger Zeit Kontakt mit der Außenwelt geschlossen hat. Als einer von vier ecuadorialen Stämmen im Amazonas begrüßen die Einheimischen hier ab und zu dann doch mal Touristen, bieten eine eigene kleine Schubecks Kochschule und plaudern aus dem Nähkästchen Geheimnisse ihrer Shamanen aus. Doch dazu später mehr.
Die Lodge selbst liegt am Rande einer etwas brach liegenden Lagune, die aktuell saisonal bedingt einen sehr niedrigen Wasserstand hat. Mit wunderschönem Blick auf den Sonnenuntergang könnte man es sich hier eine Weile gut gehen lassen. Allerdings sorgt das voll gepackte Programm dafür, dass keine Langeweile aufkommt: gleich im Anschluss an unsere Ankunft gehen wir auf Nachtwanderung und begeben uns auf die Suche nach den zumeist nachtaktiven Insekten, wie zum Beispiel Fröschen (Oh ja). Definitiv nichts für Arachnophobiker, aber dank unserer Gummistiefel ist es ja auch nicht so schlimm, wenn man Mal versehentlich auf etwas drauftritt. Jedenfalls bekommt man hier das volle Programm, von der Tarantel bis zur Zikade zeigen sich die Wirbellosen heute bei strahlendem Sternenschein so gar nicht scheu. Unsere rund zwölfeinhalb Mann starke Gruppe kämpft sich in der Dunkelheit durch das Dickicht, die Stirnlampen leuchten kleine Kerben in den Weg. Und wenn der halbe Mann (drei Jahre alt, Rufname Ouveliño und mit seinen Eltern auf Tour) so ganz ohne quängeln durch den Urwald kommt (respekt, kann man nicht mit jedem Kleinkind machen) – dann müssten das die Erwachsenen doch auch schaffen oder? Denkste, panische “iiihhhs” und “waaaaahs” schallen sicher jetzt noch bis nach Brasilien durch den Urwald. Es haben aber alle überlebt, also entwarnung.

Als Kind habe ich ja von Natursendungen nicht genug bekommen. Irgendwann selbst Mal mitten in einer Tierdoku zu stecken ist zwar irgendwie ein Kindheitstraum, fühlt sich in der Realität allerdings trotzdem irgendwie seltsam an. So am nächten Tag, als wir nach dem Frühstück zurück im naheliegenden Dgungelabschnitt Schlangen suchen und plötzlich in einem Sumpfgebiet landen, das als Schauplatz für “Angriff der Zombieanaconda” einfach perfekt wäre. Ist zufällig auch das Territorium der Anacondas, leider ist gerade nicht Saison und die possierlichen kleinen Tierchen verschwinden zur low tide in andere Regionen des Regenwalds. So findet man bis auf ein paar abgeschälte Schlangenhautschichten nur wenig Spuren ihres Aufenthalts hier. Zumindest kann man hier erahnen, wie groß die Reptilien sein müssten: leicht sechs Meter, sagt Jakob, unser fachkundige (und englischsprachige!) Guide.

Jakob führt uns abends mit dem Boot nochmals erst durch die Lagune, dann erneut durch die Kanäle. Wir entdecken allerhand verschiedenartige Affen, Vögel und die seltsamsten Bäume. Auf dem Hinweg sichten wir den ersten Kaiman (Alligator), auf dem Rückweg gehen wir rund 100 Meter weiter ein bisschen im braunen, komplett lichtundurchlässigen Wasser baden. “Warum nicht?”, denken wir uns, sind ja scheinbar gerade auch keine Piranhas in der Nähe. “Solange man nicht blutet, greifen die einen auch nicht an”, schallt es mir noch durch den Kopf. Mut zum Risiko heißt auch die Devise beim darauffolgendem Bootstrip, als wir nochmal auf Kaimanjagd gehen. Das Risiko scheint aber überschaubar zu sein, denn trotz ihrer eindrucksvollen Körpermaße von durchschnittlich sechs Metern, und der eindrucksvollen Nähe unseres kleinen Holzbootes zu den wilden und territorialen Wannabe-Krokodilen, bleibt der sichtbare Teil von ihnen, also meist nur die Augen knapp über der Wasseroberfläche, regungslos stehen. Unsere Taschenlampen scheinen schamlos direkt in die Seele der riesigen Reptilien, doch erwiedert wird nichtmal ein Blinzeln – die Kaimane tun einfach so als würde man sie nicht sehen. Auch eine Möglichkeit. Von Weitem reflektieren die Augen der Kaimane übrigens leuchtend rot, wenn man mit der Lampe drüber scheint. Für den Fall, dass ihr Mal welche braucht.
Auf diesem Ausflug hatte ich jedenfalls mit vielem gerechnet, aber nicht mit Harakiri-Fischen, die uns auf der Rückfahrt plötzlich ins Boot springen! Jetzt überleben wir also Piranhas, Anacondas und Kaimane und dann kommt uns plötzlich ein Schwarm voller tödlicher Kungfu Killerfische (mit Zähnen) entgegen der einfach aus dem Wasser springt und uns angreift. Mir ist direkt mal einer ins Gesicht gehüpft, gerade als ich meine Kamera ausmache! Ich war echt schon kurz davor die Dinger nicht zurück ins Wasser zu schmeißen und abends einfach Fischfilet zu machen. Es gab allerdings Hühnchen.

Am dritten Tag werden wir in das indigene Dorf eingeladen, das sich nur etwa zweieinhalb Stunden Bootsfahrt weiter östlich, direkt am Ufer eines Kanals befindet. Wir tuckern also dorthin – es regnet erstmals etwas stärker. Ist ja auch der Regenwald – entlang der stark verwinkelten Verzweigungen und Irrungen einer immergrünen und äußerst stark bewachsenen tropischen Landschaft. Eben genau so, wie man es aus den einschlägigen BBC und Discovery Dokumentationen kennt. Der Fluss nagt an der Integrität der angrenzenden Erde, sodass die Wurzeln der selbst stärksten und größten Bäume nicht mehr genug Halt finden. Alle paar Meter pflastern daher umgeknickte Bäume unseren Weg, die für ein besseres Durchkommen von den Einheimischen regelmäßig zersägt werden. Unser Fahrer kennt die Wege natürlich aus dem FF und manövriert uns geschickt durch. Oft auch darüber hinweg. Ein Raunen geht natürlich jedesmal wieder durch die Gruppe, sobald das Boot auf ein klein wenig Holz trifft. Genauso wie das obligatorische “oooooohhh”, “aaaiiiiii” oder “cuuuuuute”, wenn Mal wieder kleine Äffchen unseren Weg kreuzen. Wäre das alles hier ein Anblick, wenn man doch nur ganz alleine hier wäre! So ist es leider sehr laut, die Tiere natürlich schnell verscheucht und der Anflug von Doku-Feeling ist auch schneller weg als ich “och wie süüüß” sagen kann.
Im Dorf lernen wir, wie man aus Riesenradisschen Brot backt und außerdem, wie man aus Yaje-Lianen großartige Halluzinogene gewinnt. Diese trinken die Schamanen (also die Ärzte/Hellseher) hier regelmäßig um ihre komplexen Differenzialdiagnosen aufzustellen. Und dann bekommen die Patienten auch noch einen kräftigen Schluck Lianensaft und die Grippe ist im Handumdrehen unter Kontrolle. Wenn der Patient allerdings so richtig, richtig krank ist, dann sehen die Schamanen das in ihrer Trance (der Patient brennt in ihren Visionen beispielsweise symbolisch melodramatisch). In dem Fall hilft nur noch ordentliche, harte Medizin – also verschiedene Wurzeln und Kräuter. Oder eben das nächstgelegene Krankenhaus. Könnte natürlich auch zu spät dafür sein. Wie dem auch sei. Die Droge ist in ganz Ecuador legal, nur die Dosierung muss kontrolliert werden, “man wird sonst vielleicht verrückt”, sagt der Schamane. Und der muss es ja wissen…

Am vierten Tag heißt es früh Aufstehen, zur morgentlichen Bootsfahrt ins nahegelegene Nirgendwo. In den Bäumen entdecken wir haufenweise bekannte Gesichter, aber auch einen neuen Kameraden: als Verlängerung eines Asts verkleidet, hat man nahezu keine Chance den regungslosen Greifvogel von Alleine zu entdecken. Der Guide macht seine Sache also ganz gut – noch besser macht der Falke seine Sache. Wir sind begeistert. Und hungrig. Also geht es zurück in die Lodge zum formidablen Frühstück inklusive Pancake, bevor wir ein letztes Mal ins Boot steigen und uns Richtung Flughafen begeben.

Auf dem Rückweg zähle ich meine Mückenstiche und lüfte mein Beinkleid um zu sehen, was mich sonst noch so gepiekt hat. Ich zähle insgesamt rund 20 Mückenstiche und frage mich, wieviele es wohl ohne regelmäßige, vorherige Vitamin-B-Zufuhr und den beiden Antimoskito-Armbändern, die ich in Quito gekauft habe, gewesen wären. Außerdem zähle ich ca. 350 weitere Bisse/Stiche. Das waren die Sandfliegen – mit Abstand die lästigsten kleinen Biester, denen man begegnen kann. Und denen man mit nichts begegnen kann, außer langen Hosen. Das kommt definitiv als Sicherheitswarnung in meine Tipps & Tricks Rubrik.

Die Aussichten für die nächsten Tage: keine Ahnung. Morgen fliegt Alisa leider erstmal zurück nach Deutschland. Schön war’s, kurzzeitig ein bekanntes Gesicht dabei gehabt zu haben und gemeinsam schöne Erinnerungen zu sammeln. Ich muss auch langsam Mal Richtung Cuenca und zum Chimborazo will ich ja auch noch rauf. Außerdem liebäugle ich irgendwie damit meinen Divemaster auf Galapagos zu machen. Und an der Küste war ich auch noch nicht. So viel zu tun, so wenig Zeit.

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